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Digitale Kompetenz kommt nicht von allein: Warum wir in Deutschland hinterherhinken

In meinem letzten Beitrag habe ich betont, wie wichtig digitale Kompetenz für kognitive Leichtigkeit ist. Daraufhin erhielt ich zahlreiche Rückmeldungen von Leserinnen und Lesern, insbesondere mit einem Punkt, der oft wiederholt wurde: Deutschland hinkt international hinterher. Und ja, das stimmt. Aber warum ist das so?

20. Mai 2025, von Andreas Blöcher

Ich möchte in diesem Beitrag eine persönliche Einschätzung geben, basierend auf meinen Erfahrungen in der Schulung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern direkt vor Ort, in mittelständischen Unternehmen. Denn der Abstand zur digitalen Selbstverständlichkeit, wie ich sie etwa bei Kundinnen und Kunden in Dänemark, den Niederlanden oder in Osteuropa beobachte, ist nicht durch Technik erklärbar. Er ist kulturell bedingt.

Weiterbildung wird als Zumutung empfunden

Was mich bei vielen Mitarbeiterschulungen in Deutschland am meisten überrascht: Die Haltung zur Weiterbildung. Es ist keine Neugier spürbar. Keine intrinsische Motivation. Sondern eher ein defensiver Grundton. Sätze wie „Muss ich das jetzt auch noch lernen?" oder „Das ist nicht mein Aufgabenbereich" sind keine Ausnahmen, sie sind der Normalfall. Und wenn es dann heißt, die Schulung finde außerhalb der regulären Arbeitszeit statt oder sei in Eigenregie zu vertiefen, kommt massiver Widerstand.

Work-Life-Balance als Ausrede?

Es klingt hart, aber ich empfinde es so: In Deutschland wird die sogenannte Work-Life-Balance häufig als Vorwand genutzt, um sich jeglicher Weiterentwicklung außerhalb der 38-Stunden-Woche zu entziehen. Die Bereitschaft, sich nach Feierabend weiterzubilden, ist bei vielen nicht vorhanden. Stattdessen wird auf Dienst nach Vorschrift gesetzt. Alles andere gilt als Eingriff in die Privatsphäre oder gar als Ausbeutung.

Das ist nicht nur ein individuelles Problem, sondern ein kulturelles. Denn gleichzeitig erwarten dieselben Personen, dass der Arbeitgeber oder der Staat die Verantwortung für Fortbildungen übernimmt. Initiative? Fehlanzeige.

Staatliche Trägheit statt persönlicher Verantwortung

Ein weiteres Phänomen, das ich regelmäßig erlebe: Der Glaube, dass Fortschritt zentral gesteuert werden muss. Viele Deutsche verlassen sich auf gesetzliche Vorgaben, auf Bildungsprogramme der Kammern oder auf Weiterbildungsmaßnahmen, die „irgendwann mal" stattfinden. In der Praxis bedeutet das: Die Verantwortung wird abgegeben. Niemand fragt sich ernsthaft: Wie kann ich mich selbst weiterentwickeln, um meine Arbeit morgen besser zu machen als heute?

Im internationalen Vergleich ist das bemerkenswert. Während in vielen Ländern Online-Kurse, Tutorials und Selbstlernplattformen längst zum Alltag gehören, scheitert in Deutschland oft schon die Anmeldung an einem kostenlosen Webinar. Die Technik wäre da. Der Wille nicht.

Der Preis dieser Haltung: Stillstand

Diese Haltung kostet Unternehmen Zeit, Geld und Innovationskraft. Denn kognitive Leichtigkeit entsteht nicht durch mehr Technik oder mehr Tools. Sie entsteht durch souveräne Nutzung. Durch Menschen, die bereit sind, sich weiterzuentwickeln. Menschen, die bereit sind, über ihren Schatten zu springen, auch wenn das bedeutet, sich mit etwas Neuem auseinanderzusetzen. Ja, das kann anstrengend sein. Aber genau da beginnt Fortschritt.

Mein Appell: Schluss mit Ausreden

Ich weiß, dieser Beitrag polarisiert. Aber er ist ehrlich. Und er basiert auf 25 Jahren Berufserfahrung im direkten Kontakt mit Mitarbeitenden, Geschäftsführern und Teams. Wer heute digital arbeiten möchte, muss auch digital denken und lernen wollen. Wer kognitive Leichtigkeit will, muss bereit sein, die Verantwortung für seine digitale Kompetenz selbst zu übernehmen. Unabhängig von Arbeitgeber, Gesetz oder Arbeitszeitmodell.

Der Experte


Andreas Blöcher ist Inhaber der Marketing Agentur BLÖCHER in Georgensgmünd. Er entwickelt seit mehr als 25 Jahren umsatzorientierte Kommunikationsstrategien für mittelständische Unternehmen. Als Spezialist für Kommunikationspsychologie zeigt er, wie kognitive Leichtigkeit und klare Routinen digitale Arbeitsweisen spürbar produktiver machen. Neben der Agenturarbeit baut er das Projekt JOBMEO.de auf und veröffentlicht praxisnahe Beiträge zu Marketing und moderner Arbeitsorganisation.

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